OLG Koblenz zum Widerrufsrecht: Keine Verwirkung durch vertragsgemäße Rückführung
Nachdem der Bundesgerichtshof ab dem Jahr 2009 in mehreren Urteilen entschieden hatte, dass Verbraucher auch Jahre nach dem Abschluss den Widerruf von geschlossenen Darlehensverträgen aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrungen (sog. „ewiges Widerrufsrecht“) erklären könnten, haben viele Verbraucher diese Möglichkeit genutzt, um unliebsame und nachteilige Verträge noch zu widerrufen.
Argumente der Banken
Den Widerrufserklärungen der Verbraucher sind die Bankinstitute mit den Argumenten, dass die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß und damit wirksam gewesen sei. Da dies oftmals nicht zutraf und die Eingriffe der Unternehmen in die Widerrufsbelehrung aufgrund ihrer Intensität die Schutzwirkung des gesetzlichen Musters entfallen ließ, griffen die Banken auf den Auffangtatbestand des Grundsatzes von Treu und Glauben gem. § 242 BGB zurück: Sie tragen dann regelmäßig vor, dass die Ausübung des Widerrufsrechts Jahre nach Abschluss des Vertrages treuwidrig und der Anspruch des Verbrauchers verwirkt sei.
Letzteres Argument erhielt neue Nahrung, als der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 – erstmals entschied, dass das Widerrufsrecht der Verbraucher verwirken kann und dies insbesondere in Fällen bereits abgewickelter Darlehensverträge in Betracht kommen könne. Obwohl der Bundesgerichtshof gleichzeitig entschied, dies sei stets eine Einzelfallentscheidung die vom jeweiligen Richter gesondert zu überprüfen sei, tragen die Bankinstitute vor, sämtliche Ansprüche der Verbraucher bei beendeten und abgewickelten Darlehensverträge seien verwirkt.
Entgegenstehende aktuelle Rechtsprechung
Das dies ebenfalls nicht zutrifft haben aktuell das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sowie das Oberlandesgericht Koblenz entschieden. Bereits in einem Urteil vom 10. Januar 2018 – Az. 17 U 134/17 – wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Einwand der Verwirkung aufgrund der jahrelangen, unbeanstandeten Durchführung des Darlehensvertrages samt Rückzahlung der Darlehensvaluta am Ende der Vertragslaufzeit zurück und führte hierzu insbesondere wie folgt aus:
„Darüber hinaus steht kein Verhalten der Kläger in Rede, dem die Beklagte hätte entnehmen dürften, dass die Kläger ihr Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen würden. Dies gilt insbesondere für die Rückzahlung der Darlehensvaluta am Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit. Die Kläger haben mit der Ablösung der Darlehen – teils durch Verrechnung der Guthaben aus der Lebensversicherung bzw. den Bausparverträgen sowie durch Abschluss eines Anschlussdarlehensvertrags – lediglich ihre Pflichten aus den Darlehensverträgen erfüllt. Weder ist die Rückführung der Darlehen vorzeitig noch auf Wunsch der Kläger erfolgt.“
Bei seiner Argumentation stützt sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main insbesondere auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der diese Frage in den vergangenen Urteilen bewusst offengelassen hatte:
„Dementsprechend geht augenscheinlich auch der Bundesgerichtshof davon aus, dass allein der erhebliche Zeitablauf zwischen dem Abschluss eines Darlehensvertrages und der Erklärung des Widerrufs der auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung bei vertragsgemäß zurückgezahlten endfälligen Darlehen nicht zur Verwirkung des Widerrufsrechts führt, auch wenn der Bundesgerichtshof eine Verwirkung in einem solchen Fall grundsätzlich für möglich hält (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 549/16 – Rn. 2, 16, 21, juris). Andernfalls wäre zu erwarten gewesen, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2017 (a. a. O.) von der ihm eröffneten Möglichkeit (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1993 – V ZR 234/91 – BGHZ 122, 308-317, Rn. 23) Gebrauch macht, die vom Tatsachengericht festgestellten Anknüpfungstatsachen selbst dahin zu würdigen, dass der Tatbestand der Verwirkung erfüllt ist, und damit für Rechtsklarheit sorgt.“
Der Ansicht, wonach die vertragsgemäße Rückführung des Darlehensvertrages nicht automatisch zur Verwirkung der Ansprüche infolge eines wirksamen Widerrufs führt, hat sich auch das Oberlandesgericht Koblenz angeschlossen. Mit Hinweisbeschluss vom 12. April 2018 – Az. 8 U 1015/17 – hat der Senat angekündigt, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen und begründete dies insbesondere wie folgt:
„Die Voraussetzungen der Verwirkung liegen ebenfalls nicht vor. […] Die vertragsgemäße Rückführung des Darlehens alleine erfüllt nicht die Voraussetzungen des Umstandsmoments.“
Fazit
Für den Darlehensnehmer bedeutet dies, dass seine Ansprüche infolge eines wirksamen Widerrufs trotz vertragsgemäßer Rückführung der Darlehensvaluta nicht verwirkt sein müssen und er sie weiterhin geltend machen kann.
Viele Kreditverträge sind weiterhin widerrufbar, weil die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war und die Verträge nach 2010 auch nicht dem gesetzlichen Fristablauf aus dem Juni 2016 unterliegen, sodass der Widerruf weiterhin erklärt werden kann.
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